steffenschoeni: Karl Steffen, Heidi Schöni


4. Triennale Zeitgenössische Kunst. 04. April bis 22. Juni 2008
English vers. "Nothing to declare", Bodensee-Triennale (Lake Constance), Friedrichshafen (DE)

Projekt von steffenschöni: < A4 > < Aggregat 4 >

< A4 >, bedeutet < Aggregat 4 > , dieser war die erste voll funktionsfähige Großrakete,
auch bekannt als Vergeltungswaffe 2, kurz „V2“.
Die Wehrmacht nannte sie schlicht „das Gerät“.
Sie gilt außerdem als erstes von Menschen konstruiertes Objekt, das die Grenze zum Weltraum , durchstieß.
Mit Sprengköpfen bestückt, wurden mit ihr ab 1944 englische und belgische Städte bombardiert.
Im Zusammenhang mit der Fertigung der A4-Rakete sowie der Flugbombe V1, kamen nach offizieller Zählung in den SS-Akten, etwa 12.000 Zwangsarbeiter ums Leben. Dem stehen ca. 8.000 Opfer durch den Einsatz der Waffe gegenüber.
Das „ V2 Werk“, bei Ober-Raderach und die A4 Fertigung bei der Firma Zeppelin, in Friedrichshafen, waren für uns Grund für die Wahl des Projekttitels und Ausgangspunkt für die Projektentwicklung.

Unsere Arbeit, in Friedrichshafen, gliederte sich in drei Teile:
1 - Hafenbahnhof: Der Kopf des Gleiseendes wird weiss eingekalkt und mit Betonbruchstücken,
     und weiteren archäologischen Objekten bestückt.
2 - Telefonkabine Hafenbahnhof: Videoinstallation.
3 - Schaufenster Unterführung Hafenbahnhof: „Ausstellungsvitrine“ mit Gussformen
     und Gussfragmenten, Werkzeugen und Hilfsmitteln.

Die Installation nimmt auch Bezug auf die Hindenburg-Kameras,
eine Retina Typ 118 ist im Zeppelin Museum zu sehen.
Nach dem Unglück, erstellte die Deutschen Zeppelin-Reederei eine Liste, der im Wrack des ausgebrannten Luftschiffs gefundenen Gegenstände. z.B: "eine Anzahl Kameras und Zubehoerteile:

Agfa 8 mm Movie, ohne Linse, oval Nr. 17662 zerstört
Deutsche Movie, 11 x 12 x 6 cm. ohne Linse zerstört
Leica Nr. 207808, Summar F : 5 1 : 2 Nr. 313953 zerstört
Leica Nr. 204916, Summar F : 5 1 : 2 Nr. 313108 zerstört
Leica Nr. 149940, Summar F : 5 1 : 2 zerstört
Leica Nr. 194376 zerschmolzen
Leica Nr. 218525, Leitz Elmar F : 5 L : 3,5 zerstört
Voigtländer Rollfilm Camera zerschmolzen
Zeiss Ikon Ikoflex zerschmolzen
Kleine Kamera Rollfilm "Pronto", Vidar F: 4,5 zerstört
Zeiss Ikon Nettar zerschmolzen
Ica Klappkamera "Maximar" zerstört
Zeiss Tessar Kamera zerstört
Kodak Kamera Compur Rapid, Linse Schneider Kreuznach zerschmolzen
Autoknips HAKA mit Etui zerstört

Homage an die AkA-Kamerawerke, von Friedrichshafen.

Text von Dorothee Messmer:

Für die Triennale in Friedrichshafen wählten steffenschöni das unbenutzte Endstück des Geleises am Hafenbahnhof aus, das von der ersten Etage des Zeppelinmuseums gut einsehbar ist.
Als Ausgangspunkt für ihre Recherche diente „Aggregat 4“, die erste voll funktionsfähige Großrakete, auch bekannt als „V2“, die im Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle spielte und auch in der Region Friedrichshafen gefertigt wurde.
Diese Situation war mitverantwortlich für die schwere Bombardierung der Stadt, die sich gerade deshalb auch immer wieder mit ihrer Vergangenheit zu beschäftigen hatte.
Die Künstler verbanden mit der thematischen Ausrichtung ihrer Arbeit die Überlegung, dass „Nichts zu deklarieren“ eben auch bedeuten kann, dass man nichts zu verbergen hat und bei einer Durchsuchung alles wird herzeigen können.
Auf dem brachliegenden Gelände, das – inklusive einer leer stehenden Telefonkabine – ein perfektes Bühnenbild abgibt, inszenieren sie eine Grabung, die jedoch keine realen Relikte ans Tageslicht fördert, sondern den Blick frei gibt auf Bauschutt von Ablagerungshalden und Bauplätzen, den die Künstler in der Umgebung vorfanden.
Darunter befinden sich auch in Beton gegossene Gehäuse eines noch funktionierenden Radios aus dieser Zeit, die auf die Bedeutung des Mediums verweisen, das in der Kriegszeit und in den Fünfziger Jahren in der Bevölkerung als Informationsquelle an erster Stelle stand.
Es handelt sich also um die Inszenierung einer Grabung, die nachgestellt wird und als Fälschung klar erkennbar ist.
In der stillgelegten Telefonkabine wird zudem anhand der Gussformen, Silikonformen und Probeabgüsse der Objekte, die im „Grabungsfeld“ zu sehen sind, die Entstehung der Arbeit dokumentiert. Durch die museale Präsentation der „Fundstücke“ legen die Künstler den Fake offen und machen die Re-Inszenierung noch deutlicher sichtbar.
Der Fokus von steffenschönis Tätigkeit richtet sich dabei auf das Unspektakuläre, die Sichtbarmachung von möglichen Unter- und Hintergründen, sowohl in formaler als auch in inhaltlicher Hinsicht. Mit diesen Strategien befragen sie unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit und unsere gewohnten Sehweisen. Wo beginnt Wirklichkeit und wo hört sie auf?
Ist sie nicht lediglich eine Frage unserer Wahrnehmung? Was unterscheidet das Bedeutende vom Unbedeutenden? Und wäre die Welt anders, wenn wir die Dinge um uns herum anders gewichteten?



04. April bis 22. Juni 2008, 4. Triennale Zeitgenössische Kunst.
English vers. "Nothing to declare", Bodensee-Triennale (Lake Constance), Friedrichshafen (DE).
Info: Nothing to declare, Pressetext.



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