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St.Galler Tagblatt – Ausgabe für Stadt und Region St.Gallen

Sonntag, 2. September 2007

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ARCHIV

Die Lust am Graben und Fabulieren

Horner Kunstweg «Strandgut»: Das Künstlerpaar «steffenschöni» thematisiert mit Box 13 das Hinterland

horn. Blicke in die Vergangenheit, Spurensuche in der Gegenwart: Die Strandgut-Box des Thurgauer Künstlerpaares Heidi Schöni und Karl Steffen setzt sich mit einem heiklen Stück Gelände auseinander.

martin preisser

Die meisten Künstler der Kunstaktion «Strandgut» (bis 16. September) thematisieren die Atmosphäre am See und setzten eine bestehende künstlerische Idee mit oder an der Box um. Anders das Künstlerpaar «steffenschöni»: Von Anfang an war klar, dass sich die beiden vom Hinterland faszinieren lassen würden. Und hinter (oder eben vor?) ihrer Box liegt das verlassene «Raduner-Areal», eine ehemalige Textilverarbeitungsfabrik. Recht giftig wirken die (realen) Farben der Fotografien, die «steffenschöni» im Innern der Fabrik aufgenommen hat. «Haben Sie diese Fotos in Polen gemacht», wurden die Künstler gefragt. «Diese Fabrik ist ein Skandal», ereiferten sich ältere Kunstinteressierte. «Die Horner verstehen die Arbeit eher politisch», sagt Karl Steffen, dem es bei der Installation aber nie um Naturschutz, um Anklage oder Skandal ging.

Fan von Industrieanlagen

«Wir haben die Zone mit künstlerischen Strategien erforscht», sagt Heidi Schöni. Box 13 steht an der alten Ufermauer. Vor der Box ist aufgeschüttetes Land. Die Aufschüttung und die Zeit davor ist auf historischen Fotos festgehalten, die einen Gegenpol zu den gefährlich wirkenden Raduner-Aufnahmen bilden. In den Archiven fände man praktisch nichts über diese vor rund zwanzig Jahren stillgelegte Fabrik, sagt Karl Steffen. Nur ein Bundesgerichtsurteil von 1920 erlaube der Fabrik die Entnahme von Frischwasser aus dem See. Karl Steffen ist von alten Industrieanlagen begeistert. «Und diese Horner Fabrik schlägt alles» schwärmt der Künstler.

Von der künstlerischen Strategie her sind «steffenschöni» auch Forscher, Sucher, Sammler, Graber. Sie lassen sich erst einmal auf Vorgefundenes ein, sortieren dann, wählen aus, reduzieren und schaffen daraus ihre Installation. Das ist immer auch ein Wagnis. «Mit diesem Arbeitsansatz beziehen wir immer auch ein Stück weit das Scheitern mit ein», sagt Karl Steffen. Neben surreal wirkenden Fotografien und den historischen Aufnahmen in der Box, die so zu einem eigentlichen Infostand wird, wären «steffenschöni» nicht «steffenschöni», wenn sie nicht auch inszenieren würden. Ein archäologisches Feld, eine Grube mit Gegenständen, beispielsweise ein in Beton gegossener Monitor. Was ist wahr, was wirklich gefunden, was inszeniert? Hier fängt das Spiel um Wahrnehmung und Phantasie an. «Es ist neben der Lust des Sammelns und Grabens auch die Lust am Fabulieren», gesteht Heidi Schöni.

Auseinandersetzung anregen

Die Fabrik ist nicht einfach tot. Sie dient als Kulisse für Aktfotografie, wie Karl Steffen recherchiert hat, und ist beliebtes Sujet von Fotografen alter Industrieanlagen (s. Kasten): «Und die Wildnis nimmt sich wieder ihren Raum.» Das Künstlerpaar hat eine Überwachungskamera in der Fabrik aufgestellt, die Bilder in die Box sendet. Der Monitor als Zeichen der Gegenwart, als Beweis des Realen zwischen Fotografien, die unwirklich wirken oder eben aus längst vergangener Zeiten stammen. Ein Stück zurückgelassener Landschaft zu neuer Präsenz verhelfen, mit den Mittel des Ortes selbst arbeiten und in neuer Zusammensetzung Unerwartetes installieren. Aufmerksamkeit wecken, ohne irgendeinen Zeigefinger zur Auseinandersetzung mit einem heiklen Gebiet einladen, das tut Box 13. Über reges Interesse konnten sich «steffenschöni» bisher nicht beklagen. Der Horner Kunstweg ist ein Erfolg.

www.strandgut-horn.ch


Stichwort

Füchse und Models

An der Vernissage sah man

auf dem Bildschirm der Überwachungskamera Füchse durch die Raduner-Fabrik schleichen. Genutzt werden die alten Hallen aber auch von Aktfotografen für bizarre Aufnahmen (www.satyrdesign.com/gallery/thumbnails.php?album=6).

Die Fotografen haben, um

ungestört arbeiten zu können, die Überwachungskamera des Künstlerduos «steffenschöni» einfach überklebt. Industrie-Ruinen: www.sperrzone.net oder www.seelenfinsternis.ch/industrie-index.html. (map)

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Museumsnacht St.Gallen - externer Verweis

Arbon/Romanshorn

Samstag, 28. Juli 2007

«Strandgut»- Führungen

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Montag, 30. Juli 2007

Agenda

Historisches Museum, 14.00? 17.00, Schloss Arbon

Montag, 27. August 2007

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Historisches Museum, 14.00?17.00, Schloss Arbon

Dienstag, 28. August 2007

Agenda

Altstadtrundgang, 10.00, Treffpunkt beim Hafenkiosk

Samstag, 1. September 2007

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Tag der offenen Tür bei Hama AG, 10.00?16.00, Hama AG

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Montag, 2. Juli 2007

Wo anders richtig ist

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Kultur Thurgau

Samstag, 12. Mai 2007

Christina Zurfluh

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Freitag, 8. Juni 2007

«Mein schönster Arbeitsort»

horn. Ute Klein ist eine von sechzehn Kunstschaffenden, die mit vierzehn Holzkisten, eben dem «Strandgut», eine der schönsten Uferzonen des Bodensees bespielen. Sie ist begeistert von den Ideen ihrer Künstlerkolleginnen und -kollegen.

Freitag, 24. August 2007

Die Lust am Graben und Fabulieren

horn. Blicke in die Vergangenheit, Spurensuche in der Gegenwart: Die Strandgut-Box des Thurgauer Künstlerpaares Heidi Schöni und Karl Steffen setzt sich mit einem heiklen Stück Gelände auseinander.

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